Der letzte Tanz

Der letzte Tanz von Douglas Smith

Der letzte TanzDie russische Revolution von 1917 beseitigte nicht nur alte Zöpfe, sondern auch adelige Köpfe. Der letzte Tanz schildert den Terror, der mit den Bolschewisten über die russische Aristokratie hereinbrach. Douglas Smith zeigt das an den Beispielen der Adelsfamilien Scheremetew und Golizyn. Die Kommunisten erschossen ganze Adelsfamilien, ließen sie in sibirischen Lagern verhungern. Nur wenige konnten im Exil überleben, noch Jahrzehnte nach der Revolution erledigten Stalins Schergen das Ausrottungswerk am russischen Adel.

Das Ende des russischen Adels kann man sich nicht brutal genug vorstellen. Von heute auf morgen endete „der letzte Tanz“ einer glanzvollen Epoche, die, das ist ebenfalls eine historische Wahrheit, auf dem Leiden vieler Millionen Russen aufgebaut war. Uralte Fürstengeschlechter, aber auch Aufsteiger aus dem Volk, die Führer eingegliederter Völker und Einwanderer anderer Nationen bildeten den Adel Russlands, der 1649 in einem Gesetz geordnet wurde. Das Gesetz verankerte zudem die Leibeigenschaft der abhängigen Bauern – auf etwa 85 Prozent der Bauernhöfe. Ständig arbeitete der Adel an der Erweiterung seiner Rechte und Privilegien. Das führte dazu, dass Adlige von allen Dienstpflichten entbunden wurden und nur noch Nutznießer ihrer Güter waren. Sie durften ihre Bauern wie Vieh verkaufen, nach Sibirien deportieren oder als Soldaten nutzen. 1861 schaffte Zar Alexander II. die Leibeigenschaft zwar ab, doch die Abhängigkeit der Bauern, ihre Unterworfenheit unter den Adel änderte sich dadurch kaum. Nach diesem Datum verlor der Adel wegen seiner Unfähigkeit, unter veränderten Bedingungen zu wirtschaften, nach und nach seine Güter und 1905 waren nur noch 62 Prozent der Bauernhöfe unter Adelsherrschaft. Die Not des Ersten Weltkrieges und der Hass auf die adligen Unterdrücker führte in der Oktoberrevolution zur Abschaffung des Adelsstands in Russland.

Der letzte Tanz erzählt anhand zahlreicher historischer Fotos spannend und dramatisch von Menschen und Ereignissen, die zur Auslöschung des russischen Adels als Stand führte. Lenin gab die Devise aus „Du sollst (den Adel) töten!“. Er glaubte, die Französische Revolution sei trotz „Terreur“ und Guillotine viel zu sanft mit dem Adel und anderen Revolutionsgegnern umgegangen. Jahrhunderte lang war die russische Leibeigenschaft vergleichbar mit der amerikanischen Sklaverei und sicherte den komfortablen Lebensstil einer Schicht, die kein Mitleid mit den Menschen hatte, die ihren Reichtum sicherten. Dass die Revolution sie enteignete, verfolgte, vertrieb, folterte und ermordete, war so gesehen nur der Ausschlag eines geschichtlichen Pendels auf der anderen Seite. Und oft ging es Adeligen noch besser als den russischen Arbeitern und Bauern, die im Bürgerkrieg starben oder während der Hungerjahre um 1920 ihr Leben verloren: Manche hatten es geschafft, ihr Vermögen in Form von Schmuck über die Grenzen des Reichs zu bringen und im Ausland allein davon zu leben, ohne einer Arbeit nachzugehen.

„Ehemalige Leute“ nannten die Bolschewisten die Gesellschaftsklasse, die in ihrem System nicht überleben sollte. Über sie ist bisher wenig und wenn nur in Ausschnitten geschrieben worden. In Der letzte Tanz richtet der Historiker Douglas Smith seinen ganzen Fokus auf die Geschichte dieses Stands, dessen Gutshöfe geplündert oder verbrannt wurden. Wer nicht entkommen konnte, musste sich, wurde er nicht hingerichtet, mit der „Diktatur des Proletariats“ in den 1930er und 1940er Jahren arrangieren und die Säuberungen umschiffen. Die Familienkatastrophen, die Erniedrigungen, die Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit innerlich zerstörter Existenzen sind auch heute nicht vergessen. Der russische Adel muss unter die geschichtlichen Verlierer gezählt werden, auch wenn Russland 1991 wieder Adelsverbände und adlige Traditionspflege erlaubte, denn als soziale Schicht gibt es den russischen Adel heute nicht mehr. Mehr als 70 Jahre Kommunismus haben ganze Arbeit geleistet.

Der letzte Tanz

Der letzte Tanz der russischen Aristokratie vor ihrer Vernichtung bestand, so jedenfalls der Eindruck, den man aus der belletristischen russischen Literatur der Zeit gewinnt, aus einem Knutensystem, Verantwortungslosigkeit, schlechtem Gewissen, Glücksspiel, Trunk und Disputationen. Der russische Adlige, der sein Geld im Spiel verjubelte und dem Lebensgenuss hinterherjagte, wurde zu einer Romanfigur. Derweil herrschten in ihren Ländereien Rückständigkeit, Unbildung, Primitivität, Hörigkeit und Melancholie, das konnte auch nicht die Verherrlichung der schlichten russischen Einfalt oder naturhaften Gesundheit durch den Panslawismus übertünchen. Es soll nicht verschwiegen werden, dass die „nutzlose“ russische Aristokratie revolutionäre Agitatoren, Weltverbesserer und Propheten hervorbrachte. Doch ihre Zukunftsvisionen besaßen keine Bodenhaftung und entbehrten meist wirtschaftlicher Kenntnisse, weshalb sie zu nichts führten. Die Gewalt allein, die radikale Gewalt der Bolschewisten, einer anfangs kleinen Klasse von Berufsrevolutionären, schuf eine neue Wirklichkeit, eine neue Klasse und den „neuen Menschen“. Die Welt der mächtigsten Familien des Zarenreichs wurde damit auf den Kopf gestellt. Der mehrfach ausgezeichnete amerikanische Historiker Douglas Smith zeichnet die Jahrzehnte entfesselter Gewalt, die eine Klasse verschlang. Das Thema hat damit einen ausgewiesenen Fachmann gefunden, denn er arbeitete für das U.S. Department of State in der Sowjetunion und als Russisch-Dolmetscher für Ronald Reagan. Für „Radio Free Europe/Radio Liberty“ in München war er als Russland-Spezialist tätig.

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