Doris Dörrie, Diebe und Vampire

Erinnern Sie sich noch an Männer? Mit diesem Titel feierte Doris Dörrie 1985 ihren Durchbruch. In der Komödie spielte Heiner Lauterbach einen Manager, der Spaß am WG-Leben bekommt. Sein Mitbewohner, gespielt von Uwe Ochsenknecht, entdeckte dagegen plötzlich seine Karrierewünsche. Doris Dörrie, die 1955 in Hannover geborene Arzttochter, kam schon früh zum Film. Gleich nach ihrem Abitur 1973 studierte sie am Drama Department der University of the Pacific Stockton/CA Film und Schauspiel. 1975 nach Deutschland zurückgekehrt, setzte sie ihr Studium an der Münchener Hochschule für Fernsehen und Film fort. Nach ihrem Abschlussfilm „Der Walzer“ arbeitete sie bei verschiedenen Sendern und drehte Kinderfilme, Dokumentation und Fernsehspiele. Mit einem ihrer Filme nahm sie an den Filmfestspielen von Venedig teil.

Doris Dörrie – vielfach ausgezeichnetes Multitalent

1987 veröffentlichte sie ihre ersten Kurzgeschichten. Der Titel der Sammlung lautete „Liebe, Schmerz und das ganze verdammte Zeug“ und zeigte schon die Richtung ihres Schreibens. Viele dieser und späterer Stories verarbeitete Dörrie gleichzeitig in ihren Filmen. Über allem die Frage nach dem Sinn des Lebens inmitten des alltäglichen Stress und modernen Beziehungschaos. Als sie ihjvfasutren 1994 erschienenen Sammelband „Bin ich schön?“ verfilmte, starb ihr Mann an einer Hirnhautentzündung. Das ließ sie noch stärker als zuvor nach dem Lebenssinn suchen, was sich in dem autobiographisch gefärbten Roman Das blaue Kleid und filmischen Arbeiten der Regisseurin und Autorin zeigte.

Für ihr Werk erhielt Doris Dörrie zahlreiche Auszeichnungen aus der Welt des Films und der Literaturszene. 2003 sogar den Deutschen Bücherpreis. Obwohl sie in beiden Welten große Erfolge feierte, sieht sie den Kulturbetrieb heute immer noch als starke männliche Bastion und kämpft für eine Frauenquote in der Filmförderung, weil sie glaubt, dass Frauen hier immer noch nicht ernst genommen werden.

Diebe und Vampire von Dories Dörrie

Zum Thema Schreiben lese ich auf der Internetseite ihres Lehrstuhls für kreatives Schreiben: „Zuallererst ist Schreiben Handwerk. Üben. Weiterschreiben, sitzen bleiben. Ob es dann Kunst ist, stellt sich viel später heraus.“ Dieses Wort der gerade 60 Jahre alt gewordenen multitalentierten eigensinnigen Regisseurin kann jetzt jeder an ihrem neu erschienenen Buch Diebe und Vampire überprüfen.

Das Ernste und das Seichte liegen bei Doris Dörrie nahe beieinander. Mal schreibt sie gefällig, mal existentiell tief, ohne sich festzulegen, was beim Lesen zu Wechselbädern führt. In Diebe und Vampire geht es um Alice, eine deutsche Studentin, die am Strand von Mexiko eine 30 Jahre ältere Amerikanerin kennenlernt. Später treffen sich die beiden in San Francisco wieder und Alice gerät immer stärker in den Bann der älteren Frau, die sie insgeheim „die Meisterin“ nennt, weil sie alles ist, was Alice gern wäre: elegant und selbstbewusst, souverän bei Männern. Und am meisten bewundert Alice an ihr, dass sie Schriftstellerin ist. „Sie schrieb wie niemand in Deutschland über den Alltag von Frauen, dieses unentwirrbare Knäuel aus Männern, Ehrgeiz, Sex, Liebe, Kinderwunsch, Karriere, Schönheit, Alter. Über das Nebeneinander von Bratkartoffeln, Cunnilingus und Kunst. Ich war hingerissen.“

Schriftsteller als Diebe und Vampire

Alice wäre auch gerne eine Schriftstellerin, doch sie sitzt mit Panik vor dem leeren Blatt und statt zu schreiben liest sie obsessiv und vertreibt sich die Zeit mit Männern, die nicht zu ihr passen. Um „die Meisterin“ für sie zu interessieren, denkt sich Alice eine Geschichte aus, die aber ganz anders funktioniert, als sie dachte. Die Schriftstellerin saugt sie aus, denn alle Schriftsteller sind Diebe und Vampire. Sie belauschen ihre Umwelt, um literaturfähiges Material zu heben, auch wenn sie dazu das Schicksal anderer Menschen ausbeuten. Manche lügen auch, um an eine gute Geschichte zu kommen.sdfjht

Der Roman zeigt, was gewählte Vorbilder mit uns machen. Statt sich an Vorbildern zu orientieren, sollten sich junge Menschen selbst ausprobieren, ohne Angst vor den Konsequenzen zu haben. Und Ältere sollten sie nicht ständig warnen und damit die Jugend von ihren Experimenten abhalten. Meint Doris Dörrie. Und ihr Roman verspottet die heutige Literaturszene mit ihren Förderpreisen und immer gleichen Plots. „Aber wer sich einmal wirklich in den Dschungel gewagt hat, weiß, dass er von da ein doppeltes Leben lebt. Eins in der Welt und eines im Dschungel. Ein Schriftsteller lebt zweimal.“ Dass ein Schriftsteller Geschichten aus der Wirklichkeit nimmt, und damit das Objekt, das er beschreibt, eventuell verletzt, ist ein Gang über einen sehr schmalen Grat, konstatiert Dörrie. Klingt autobiographisch.

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